Liebe Mitglieder und Förderer der Alternative für Deutschland,
wie Sie in der letzten Woche den Medien entnehmen konnten, sind die AfD-Abgeordneten der ECR-Fraktion im Europäischen Parlament beigetreten.
Die ECR (European Conservatives and Reformists) wurde im Jahre 2009 als ein Zusammenschluss EU-kritischer Parteien gegründet. Das damalige Gründungsdokument ist die sog. Prager Erklärung, die ich Ihnen in einer etwas holprigen deutschen Übersetzung beifüge. Wesentlich an diesem Grundlagenpapier ist
– die Verpflichtung der ECR auf die Kräfte der Marktwirtschaft,
– die Betonung persönlicher Freiheit und Verantwortung,
– das Bekenntnis zur Familie als Fundament der Gesellschaft
– der Einsatz für ein geordnetes Einwanderungsrecht
– das Ziel einer nachhaltigen, sauberen und verlässlichen Energieversorgung
– die Bejahung der NATO als herausragender Säule der transatlantischen Sicherheitsbeziehungen
– der Wille zu transparenter und sparsamer Mittelverwendung und zum Abbau überbordender Bürokratie
– der Schutz junger Demokratien und die Betonung der demokratischen Rechenschaftspflicht der EU
– die Achtung der Souveränität der Nationalstaaten und des Subsidiaritätsprinzips
Da sich die ECR gegen das Ziel eines europäischen Bundesstaates wendet und eine tiefgreifende Reform und Verschlankung der EU fordert, besteht völlige Übereinstimmung in der Fraktion, dass Jean-Claude Juncker und Martin Schulz beide keine akzeptablen Kandidaten für den Kommissionsvorsitz darstellen. Die Anforderungen, die die ECR an einen künftigen Kommissionspräsidenten richtet, wurden in der ersten Fraktionssitzung am vergangenen Donnerstag formuliert. Namens der AfD-Gruppe habe ich dabei darauf Wert gelegt, dass der künftige Kommissionsvorsitzende sich gegen die Pläne der Bundesregierung stellen soll, in den Europäischen Verträgen eine zentrale Koordination der Wirtschaftspolitiken der Euro-Staaten zu verankern. Der neue Vorsitzende der ECR-Fraktion Syed Kamall hat anschließend dem Ratsvorsitzenden Herrmann van Rompuy diese Auffassungen der ECR-Fraktion dargelegt.
Von den derzeit 63 Abgeordneten der ECR stammen 19 aus den Reihen der britischen Konservativen und 19 aus der polnischen PIS. Danach kommen die 7 Abgeordneten der AfD als drittgrößte Gruppe innerhalb der ECR.
Die Aufnahme der AfD in die ECR-Fraktion war von heftigem Störfeuer der Bundesregierung begleitet, die sowohl auf den britischen Premierminister David Cameron als auch auf den polnischen PIS-Chef Kaczynski erheblichen Druck ausgeübt hat, sich der Aufnahme der AfD entgegenzustellen. Hans-Olaf Henkel, Beatrix von Storch und ich haben den teilweise geradezu bösartigen Versuchen, die AfD in ein schlechtes Licht zu rücken, durch Interviews in der englischen und polnischen Presse sowie durch viele Gespräche mit den Abgeordneten der ECR-Fraktion letztlich erfolgreich entgegentreten können. Bezeichnenderweise haben unsere Gegner sich dann noch als schlechte Verlierer erwiesen, weil sie das Gerücht streuten, die Entscheidung sei mit 29:26 Stimmen nur knapp zu unseren Gunsten ausgegangen. Diese Behauptung ist aber nachweislich falsch, denn es haben insgesamt nur 47 Abgeordnete an der Abstimmung teilgenommen. Die Wahl war geheim und auch das Abstimmungsergebnis wird nicht veröffentlicht, aber da für die Aufnahme der AfD mindestens 28 Ja-Stimmen erforderlich waren, können allenfalls 19 Abgeordnete mit Nein oder mit Enthaltung gestimmt haben. Es verlautete auch, dass die Mehrheit für die AfD komfortabel gewesen sei und aus privaten Gesprächen weiß ich, dass wir in allen Parteien große Unterstützung gehabt haben.
Dies ist eine gute Voraussetzung für die künftige Arbeit. Die AfD ist jetzt in einer stabilen Fraktionsgemeinschaft mit Parteien, die ähnliche Zielvorstellungen haben. Damit sind wir in einer sehr viel besseren Position als die englische UKIP, die kaum Partnerparteien gefunden hat und vermutlich fraktionslos bleiben wird, da sie sich weder der ECR-Fraktion noch der neuen Rechtsfraktion unter Marie Le Pen anschließen will. Demgegenüber ist die ECR-Fraktion kräftig gewachsen sowohl in Bezug auf die Zahl der Abgeordneten als auch der in ihr vertretenen Nationen. Nach jetzigem Stand wird die ECR nach Christdemokraten und Sozialisten die drittgrößte Fraktion im Europäischen Parlament und die größte Kraft der Opposition sein. Da die Verhandlungen über die Fraktionsbildung noch laufen, sind weitere Zuwächse der ECR-Fraktion in den nächsten Tagen möglich, aber schon jetzt ist klar, dass die Stimme der konstruktiv-kritischen Vernunft im Europäischen Parlament in den nächsten fünf Jahren unüberhörbar sein wird.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Bernd Lucke