Hans-Olaf Henkel: „Euromantiker und Sozialpopulisten setzen Deutschlands Zukunft aufs Spiel!“
Berlin, 14. Juli 2014
Nicht nur im Süden der Eurozone türmen Politiker gewaltige Schuldenberge zu Gunsten heutiger Wähler und zu Lasten künftiger Generationen auf. Sie tun es auch bei uns.
Finanzminister Schäuble verspricht einen ausgeglichenen Haushalt für das nächste und die kommenden Jahre. Er genießt den medialen Beifall zu Unrecht. Mal ganz davon abgesehen, dass er auch in diesem Jahr den bereits aufgehäuften Schulden neue hinzufügt, ist die deutsche Finanzpolitik heute nicht einen Deut besser als die der Südländer, einschließlich Frankreichs, deren Tricksereien der Kollege Starbatty gerade so passend beschrieben hat. In der deutschen Bundesregierung und Opposition geben Euromantik und Sozialpopulismus eindeutig die Linie vor. Euromantiker nehmen ungeheure finanzielle Risiken zu Lasten zukünftiger Generationen in Kauf. Sozialpopulisten verteilen großzügige Geschenke im Namen „sozialer Gerechtigkeit“. Beide profilieren sich beim Wähler von heute zu Lasten der Wähler von morgen. Die FDP hat ihre Glaubwürdigkeit durch Zustimmung zu mehr Zentralismus, Harmonisierung und Vergemeinschaftung von Staats- und Bankenschulden an der Brüsseler Garderobe abgegeben.
Es gibt nur noch eine Partei in Deutschland, die sich der Aushöhlung unserer finanziellen Stabilität und unserer Wettbewerbsfähigkeit entgegenstemmt. Das ist die Alternative für Deutschland.
Warum gefährden die Euromantiker unsere Staatsfinanzen?
Die bei uns üblich gewordene Akzeptanz der Staatsverschuldung ist mehr als ein Ärgernis. Seit die Bundesregierung der Verletzung des finanziellen Beistandsverbots im Maastricht-Vertrag zugestimmt hat, ist die Brandmauer zwischen dem deutschen Steuerzahler und ausgabefreudigen Politikern eingestürzt. Wo einst die Mauer war, fliegen jetzt die Funken. Anders ausgedrückt sorgt der Euro jetzt für Flächenbrände. Kollege Starbatty hat soeben beschrieben, wie sich die Seuche der Staatsverschuldung im Euroraum immer mehr ausbreitet. Sie tut es auch bei uns. Lassen Sie mich es an acht Eckpunkten unter Beweis stellen:
Erstens profitiert Minister Schäuble von den extrem niedrigen Zinsen. Nicht nur das: um im Haushaltsplan eine „Schwarze Null“ erreichen zu können, hat er die ursprünglich angesetzten Zinssätze einfach nochmal gesenkt und damit das Haushaltsrisiko erhöht. Nicht Wolfgang Schäuble, sondern die „kalte Enteignung“ deutscher Sparer macht eine „Schwarze Null“ im Haushalt möglich. In der gleichen Woche, in der sich Staatspräsident Hollande darüber beschwerte, dass die Zinsen der EZB für sein Land zu hoch seien, meinte Kanzlerin Merkel, sie seien für Deutschland zu niedrig. Beide hatten Recht, nur merkte niemand, dass hier die Staats- bzw. Regierungschefs der beiden größten Länder der Eurozone die Einheitswährung mal eben in Frage gestellt hatten.
Zweitens: Ohne die von den deutschen Sparern finanzierte Zinssenkung hätte der Finanzminister sparen müssen. Zwar empfiehlt er den Griechen, Spaniern und Portugiesen, regelmäßig zu sparen, der eigenen Regierung erspart er sich das Sparen. Das ist ja auch kein Wunder, denn Herr Schäuble sieht sich zu Recht als Vertreter des potenziell größten Kreditgebers in der Eurozone: Deutschland. Die eigene Europolitik bringt es mit sich, dass er ununterbrochen in Athen, Rom, Madrid, Lissabon und neuerdings auch Paris nach dem Rechten sehen muss. Mal ganz davon abgesehen, dass das Hineinstecken deutscher Nasen in die Angelegenheiten anderer Länder uns nicht gerade beliebter macht in Europa, bleibt da kaum Zeit, sich um die nötigen Reformen im Lande derjenigen zu kümmern, denen er sein Mandat zu verdanken hat.
Drittens, bequemer als sparen, ist es, den deutschen Arbeitnehmer immer tiefer in die Tasche zu greifen. Was die „kalte Enteignung“ für den deutschen Sparer, ist die „kalte Progression“ für die deutschen Arbeitnehmer. Einen immer höheren Anteil der Löhne lenkt der Finanzminister in die Staatskasse.
Viertens besteht die große Gefahr, dass Schatten- und Nebenhaushalte eingerichtet werden. Die Privatisierung von Vermögen, Unternehmen oder gar Infrastrukturprojekten („Private Public Partnership“, PPP) mag durchaus geboten und nützlich sein, führt aber meist nur dazu, kurzfristig Geld in die Staatskasse zu spülen. Eine „Schwarze Null“ darf nicht durch das Verscherbeln von „Familiensilber“ zustande kommen. Ähnlich verhält es sich mit der “heimlichen” Auslagerung von Staatsschulden, bei der Einführung von privat betriebenen Mautsystemen.
Fünftens nimmt die Bundesregierung sehenden Auges in Kauf, den Staatshaushalt in der Zukunft durch weitere Hilfspakete für Südländer belasten zu müssen. Der Plan, ggf. Griechenlands Schulden auf 50 Jahre strecken zu wollen und mit einem noch einmal reduzierten Zinssatz zu subventionieren, hat nur einen Zweck: er soll ein weiteres Rettungspaket kaschieren; dabei kommt dieses Entgegenkommen einem kompletten Schuldenerlass gleich.
Sechstens hat die Bundesregierung ihr Versprechen gebrochen, den ESM, an dem Deutschland mit 28 Prozent beteiligt ist, nur von Ländern und nicht von notleidenden Banken anzapfen zu lassen. Fast unbemerkt von den Medien beschloss das Kabinett im Rausche des Halbfinales gegen Brasilien, dass auch ausländische Banken vom ESM saniert werden dürfen. Prof. Sinn wies letzte Woche zu Recht darauf hin, dass mit dieser Entscheidung nicht nur ein weiteres unkalkulierbares Risiko für Schäubles Haushalt und damit für uns Steuerzahler eingegangen wurde. Er meinte, wir hätten uns jetzt noch mehr erpressbar gemacht. In der Tat, welcher Euroretter wagt denn jetzt noch, gegen die Niedrigzinspolitik und gegen die Aufkäufe von Staatsanleihen vorzugehen, wenn die EZB damit den seine politische Karriere bedrohenden Tag der Wahrheit wieder einmal weiter in die Zukunft verschieben kann? Kein Wunder, dass EZB-Präsident Draghi unmittelbar nach dieser Entscheidung damit begann, die Politik vor sich herzutreiben und neue Forderungen für eine zentralistische Wirtschafts- und Finanzpolitik mit internationalem Durchgriffsrecht aufzustellen, auch wenn alle diese Vorschläge die Demokratie in der Eurozone weiter aushöhlen.
Siebtens ist der Fiskalpakt, den uns die Bundesregierung seinerzeit als „Gegenleistung“ und „Garantie“ für deutsche Bürgschaften anderer Länder verkauft hat, schon jetzt massiv aufgeweicht und durchlöchert worden. In den letzten Wochen wurden wir Zeugen eines merkwürdigen Schauspiels: Zu Hause gaukelten uns unsere Politiker vor, dass dieser Pakt weiterhin seine Gültigkeit haben würde, im Ausland äußerten sie immer öfter Verständnis dafür, ihn „flexibel“ auszulegen. Stieß „flexibel“ in Deutschland auf Widerstand, erfanden unsere Politiker im Ausland ein neues Wort: „optimal“. Fiel uns dann hier auf, dass damit nur ein weiterer Vertragsbruch kaschiert werden soll, ließ sich unsere Regierung im Ausland auf die Zeitachse schieben: Man müsse den „Reformländern“ mehr Zeit geben, meinte Gabriel jüngst in Toulouse. Dass in jedem Vertrag der Umfang einer Leistung genauso einzuhalten ist wie der Zeitpunkt seiner Erbringung, fällt dann kaum mehr auf. BER lässt grüßen!
Letzte Woche erlebten wir ein weiteres Schattenboxen: Premierminister Renzi und Präsident Hollande standen im Ring gegen Kanzlerin Merkel. Die beiden Männer wollten von der Frau mehr Flexibilität im Fiskalpakt. Vielleicht wäre sie mit den beiden fertig geworden, hätte sie nicht einen „großen Europäer“ als Sekundanten in ihrer Ringecke gehabt. Bevor es losging, warf Finanzminister Schäuble das Handtuch, konzedierte ihren Gegnern „mehr Zeit“, und der Kampf war beendet, bevor er begann.
Achtens zeigt nicht nur ein Blick auf den Zustand unserer Straßen, Schulen und Krankenhäuser, sondern auch der Blick auf die Statistiken, dass Deutschland nicht genug investiert: weder in unsere Infrastruktur noch in Bildung und Forschung. Zwar sparen die Deutschen mehr als sie im Inland investieren, die Differenz wird aber im Ausland investiert. Die Gründe liegen auf der Hand: die Europolitik beschädigt nicht nur Deutschlands Finanzen, sie untergräbt das Vertrauen in die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Dazu kommt, und das macht die Sache gefährlich, dass unsere Sozialpopulisten nicht gewillt sind, in unsere Zukunft zu investieren.
Wie untergraben Sozialpopulisten unsere Wettbewerbsfähigkeit?
Seit die AfD im politischen Ring steht, wurde oft mit dem Begriff „Populismus“ hantiert. Jeder, der sich die Mühe macht, unsere politischen Leitlinien und unser Europaprogramm zu lesen, muss zu dem Schluss kommen, dass die wahren Populisten nicht in der AfD sind sondern im Bundestag sitzen. Deutschland leidet nicht unter vermeintlichen Rechtspopulisten. Deutschland leidet längst unter der totalen Machtübernahme der Sozialpopulisten. Sie kennen die Stichworte: Rente mit 63, Mütterrente, Erwerbsminderungsrente, neue Reha-Leistungen. Die Leistungen werden zwar jetzt schon in Anspruch genommen, müssen aber in der Zukunft durch höhere Steuern oder Abgaben finanziert werden. Taxiert man diesen Finanzbedarf, kommt man auf eine effektive Staatsverschuldung von fast 160% (Prof. Raffelhüschen) – das ist nur leicht unter der Staatsverschuldung Griechenlands.
Alles das wird garniert mit neuen, teilweise gewaltigen Belastungen für Stromkunden durch die sogenannte Energiewende, mit flächendeckenden Mindestlöhnen, die das Risiko höherer Jugendarbeitslosigkeit in sich bergen, mit einer Mietpreisbremse, die den Bau neuer Wohnungen unattraktiver macht, und mit neuen Risiken durch eine den Mittelstand belastende Neufassung der Erbschaftssteuer.
Deutschland opfert seine Zukunft dem Euro
Um die Spannungen der Eurozone in den Griff zu bekommen, sollte der Fiskalpakt dafür sorgen, dass die teilweise dramatischen Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen im Süden und Norden innerhalb der Eurozone einigermaßen angeglichen werden. Trotz großer Reformanstrengungen, trotz massiver Entbehrungen und sozialer Verwerfungen im Süden der Eurozone und trotz erheblicher politischer Kollateralschäden im Verhältnis Deutschlands zu den anderen Ländern, gelingt das nur teilweise oder gar nicht. Deshalb erscheint es nur logisch, dass nun Deutschland einen Teil seiner Wettbewerbsvorteile abbauen muss. Nur so ist zu erklären, dass der Chor derjenigen anschwillt, die unter dem Stichwort „Harmonisierung“ verlangen, dass in Deutschland weniger gearbeitet wird, höhere Arbeitskosten in Kauf genommen und die Steuern erhöht werden. Es ist davon auszugehen, dass die Spannungen im Euroraum nachlassen, je deutscher die portugiesische und je französischer die deutsche Wirtschaft wird.
Die einseitige Fixierung auf den Erhalt des Einheitseuros – koste es was es wolle – hilft uns zwar in der Eurozone, unter den Blinden als Einäugiger weiter den König zu spielen, lenkt aber davon ab, dass zwei Drittel unserer Exporte gar nicht mehr in die Eurozone gehen. Diese Exporte setzen wir mit zunehmender Konvergenz in der Eurozone und der damit verbundenen abnehmenden Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands aufs Spiel. Dass wir eine Wachstumslokomotive sind, kann man nur behaupten, wenn man dem lächerlichen Wachstum des deutschen BIP des letzten Jahres von 0,4% die weitere Schrumpfung des BIP in der Eurozone entgegensetzt. Wir sollten uns wieder angewöhnen, uns mit dem Rest der Welt zu vergleichen. Dort war das Wachstum 3%. Und auch in diesem Jahr wird das Wachstum des BIP in Deutschland gerade mal halb so hoch sein wie das weltweite.
Der als Nebenprodukt des Einheitseuros unausweichliche Zwang zum Zentralismus, zur Harmonisierung und zur Vergemeinschaftung der Staats- und Bankschulden lässt für die Eurozone ein langanhaltendes Siechtum erwarten.
Um das zu verhindern, müssen wir wieder zu einer nachhaltigen Finanz- und Sozialpolitik zurückkehren und ein Währungssystem etablieren, welches die existierenden unterschiedlichen Wirtschafts-, Finanz- und Fiskalkulturen reflektiert, anstatt weiterhin zu versuchen, diese Kulturen den Bedürfnissen einer Einheitswährung unterzuordnen. Dafür steht die AfD.